Der
Herbst ist hier! Ich ertappte mich gestern dabei, mich wie ein Kleinkind über
das Geräusch raschelnder Blätter zu freuen, die der Wind erst vor kurzem frisch
vom Baum gefegt hatte. Ebenso fasziniert bin ich vom sich stetig verändernden Farbverlauf
der Bäume auf dem Hügel gegenüber unserem Wohnzimmer. Und das alles nur, weil
unser Herbst im letzten Jahr 2-3 Tage dauerte, als wir von Houston nach Norden
fuhren.
Gestern fing der Tag auch richtig schön
windig an, ehe es erneut noch einmal richtig schön wurde. Und auch wenn die Wolken
mitunter recht bedrohlich aussahen, sie waren im Nullkommanix wieder
verschwunden.
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Somewhere in Minnesota |
Das Foto habe ich vom Auto aus
aufgenommen, denn wir waren gestern mal wieder unterwegs. Von Rochester aus
ging es etwa zwei Autostunden lang über den Hwy 14 nach Westen. Unser Ziel:
Unmissverständlich und auch schon am Namen
zu erkennen – New Ulm, vor mehr als 150 Jahren von deutschen Siedlern
gegründet, ist Minnesotas Hauptstadt des German
Heritage. Rein zufällig parkten wir unser Auto gleich in der Nähe dieses
Heritage Trees, der wichtige Elemente aus der Geschichte New Ulms in Bildern
zusammenfasst.
(Wer mehr dazu wissen möchte,
klickt hier.)
Sehr interessant fanden wir auch, woran
sich das deutsche Erbe laut dieser Schautafel noch heute bemerkbar macht:
Industrie, Ordnung, Feste, Musik und die Brauerei. Ah ja …
Außerdem hatten die Shops an der
Hauptstraße auch Namen wie „Haar Friseur“, „Ulmer Café“ oder eben dies hier:
Wobei die „Marktplatz Mall“ recht klein
war, ein Teil davon wurde offensichtlich als KiTa genutzt. Und der hatte heute
Vorführungen eines bekannten deutschen Märchens
Wem kommt das bekannt vor? |
Ich persönlich war noch nie im Teutoburger Wald, daher weiß ich nicht, wie groß die Ähnlichkeit tatsächlich ist. Aber ja, Arminius oder Hermann, der Cherusker oder hier ganz einfach Herman the German hat seinen Weg auch nach Minnesota gefunden. Und vor etwa 10 Jahren wurde es als „nationales Erbe der Deutschen in den USA“ offiziell anerkannt.
Hermann von hinten |
Da triumphiert er ... |
(Meine Historikerseele schmerzte ein wenig, dass auf der Infotafel noch behauptet wurde, die Schlacht hätte tatsächlich im Teutoburger Wald stattgefunden – kein Wort von Kalkriese. Naja, nennen wir es didaktische Reduktion ... oder veraltete Infotafeln.)
Wir waren übrigens nicht ganz oben, das
hätte zwar nur $2.25 gekostet, aber die Sicht war auch so sehr gut und die
Plattform war schon recht überfüllt.
Auch diese Bank war zwar wirklich sehr
einladend, wir sind dann doch zurück in die Stadt gelaufen, denn wir hatten Hunger
auf ohnehin schon verspätetes Mittagessen.
Eingekehrt sind wir hier:
Natürlich hat sich dieses Lokal auf deutsches Essen spezialisiert und
ebenso natürlich bestand die Wanddeko dort unter anderem aus naiven Fresken von
Rothenburg ob der Tauber oder Neuschwanstein. Aber laut Alex waren seine
bestellten Rippchen mit Sauerkraut und Knödel(n) sehr gut. Da ich nicht so der
Kraut- und Kohlfan bin, hatte ich etwas ganz anderes, wenn auch mit einer Suppe
vorweg: sauerkraut and meatballs. Die schmeckte übrigens sehr
lecker und gar nicht nach Kraut!
Wir waren dann noch in diesem
"Spezialitätengeschäft".
Neben importierter Schokolade,
Kathi-Backmischungen(!) und jeder Menge Bierhumpen (…) gab es auch solche Buttons …
… oder andere „typisch deutsche“ Dinge
oder Kochbücher mit deutschen Rezepten.
Wir fühlten uns dort nicht so wirklich
wohl und haben nur ein paar Postkarten gekauft. Denn, so formulierte es Alex: Das ist alles deutscher, als wir es sind!
Nicht weiter verwunderlich, denn die deutschen Traditionen überleben hier seit
mehr als 150 Jahren – auch wenn sie erst nach der Nachkriegszeit (WW2) wieder
gepflegt werden.
Ich weiß allerdings nicht, wie lange
dieses Glockenspiel schon in der Stadt
steht. Leider haben wir es nicht erklingen hören, da waren wir gerade essen.
Besonders niedlich: Die kleinen Musikantenfiguren! |
Zu den Traditionen in New Ulm gehört
übrigens auch das Oktoberfest. Eine
Drei-Mann-Kapelle sorgte für eine passende Blasmusikatmosphäre. Vor der Bühne
tanzten einige Polka (auch wenn es nicht
wirklich zum Takt passte) und ich habe tatsächlich Männer in Lederhosen und Frauen
in Tracht (nicht unbedingt Dirndl) gesehen. Da schon einige Male ein Prosit der Gemütlichkeit inklusive
Eins-Zwei-Gaysoofah(!) ergangen war, waren Zungen schon gegen vier Uhr am
Nachmittag recht schwer. Alex und ich
haben uns dem nicht angeschlossen - wir mussten fahren.
Eine andere Möglichkeit wäre noch eine
Besichtigung der Schell’s Brewery gewesen,
aber wir sind dann noch in den an die Stadt unmittelbar angrenzenden Flandrau State Park gefahren und haben
am Cottonwood River die Spätnachmittagssonne genossen.
Ich
konnte neulich auch eine Kollegin mal überraschen, als ich mir etwas Eintopf
zum Lunch aufwärmte (ich habe nachmittags einen Kollegen vertreten). „Is that a
German recipe“ fragte sie und ich bejahte – so ähnlich würde auch meine Mutter
das (von mir leicht abgewandelt) kochen. Kartoffel-Möhren-Eintopf war in der Wahrnehmung meiner Kollegen aber
nicht deutsch genug. Es fehlten wohl Kraut und Spätzle oder Knödel zur
Eindeutigkeit ... So erklärte ich dann, dass in meiner Heimat im Norden
Deutschlands Gartengemüse und der Einsatz von Heide(!)-Kartoffeln weitaus
gebräuchlicher sei und Kraut, Kohl, Knödel typischer für den Süden sind.