Dienstag, 30. April 2013

A little bit of local history



Ich hab’s ja schon im letzten Eintrag angekündigt – ich war letzte Woche im hiesigen Heimatmuseum.


Das Erbe der Pioniere - vor etwa 150 Jahren war das hier Westgrenze der Zivilisation!


Blöderweise ist Selbiges gerade im Umbau und vielleicht war das, was zu sehen war, auch deutlich weniger als das, was man beispielsweise im Heimatmuseum des kleinen beschaulichen Soltaus sehen kann. Vieles wird hier von Freiwilligen getragen. Wahrscheinlich hätte ich mir die fünf Dollar Eintritt auch sparen können, wenn ich nicht so desorientiert im Eingangsfoyer gestanden hätte. Aber Geschichte unterstütze ich immer (Berufsrisiko). Die Fotos waren nur für den privaten Gebrauch erlaubt.



Das Plummer Building kommt dem regelmäßigen Leser hoffentlich noch nicht zu den Ohren raus … Ich mag es auch in dieser Lego-Version. Für andere „historische Gebäude“ musste ein Pappmodell reichen.

Plummer Building made of Lego bricks
 

Natürlich gibt es auch eine Abteilung für alles Kriegsrelevante. Neben ein paar Uniformen und echten Waffen (teilweise bis zum Bürgerkrieg zurück reichend!) hingen auch einige Propaganda-Poster an den Wänden.


Ein wahres Wort?


Aber hauptsächlich ist Rochester eben „Med City“ und die meisten Ausstellungsstücke beziehen sich auch darauf. Dieser Rollstuhl ist ganz offensichtlich noch Holzklasse (aber ohne Jahr) …


bequem - geht anders

… war aber sicherlich nötig, als Amputationen noch regelmäßiger durchgeführt wurden ...

Knochensäge am oberen Bildrand. "Schnell arbeiten oder Patient tot" ... joah ...
 

Die folgenden Bilder zeigen eine Nachbildung des Beginns der Arbeitsgemeinschaft von St. Mary und den Mayo Brüdern Charles und William. Die Ausstattung des OP-Saals entspricht dem Standard der 1920er Jahre. Damals wurden OP-Technik und Geräte hauptsächlich aus Deutschland importiert. Chirurgen lernten voneinander durch Beobachtung – deshalb ist der OP-Saal aufgebaut wie ein Amphitheater. Manche sollen für die Details sogar Ferngläser mitgebracht haben.
 

Zuschauer erwünscht - sie sollen ja was lernen!

Die Anästhesiefachfrau am Kopfende träufelte Äther auf ein Baumwolltuch, das über dem Patientenmund befestigt war.
Dann ab ins Krankenzimmer

... wo sich die Ordensschwestern kümmerten.


Das Patientenzimmer zeigt die Geschichte eines fünfjährigen Mädchens vom Lande, deren Vater mit ihr, nachdem sie fünf Tage lang Bauchschmerzen hatte, in den Zug nach Rochester stieg, um sie dort von den Mayo Brüdern operieren zu lassen. Das war eine der ersten Blinddarm-OPs. Sechs Wochen später kehrte das kleine, tapfere Mädchen (sie soll niemals geweint haben - wenn ich da an meine Polypenentfernung mit 4 denke ... *hust*) kerngesund nach Hause zurück. Ihr Vater hatte seine Tochter vor dem sicheren Tod (bei Blinddarmdurchbruch) gerettet, weil er rein pragmatisch handelte: „Sterben würde sie mit oder ohne OP, also können wir es ruhig versuchen.“ Zur Erinnerung: Zu der Zeit war ein Hospital ein Ort des Sterbens, nicht des Überlebens.



Wenn ich mir die Technik so anschaue … Mayo hat erstmals OP-Schwestern zur Anästhesie ausgebildet, die sich voll um den Patienten kümmern konnten und so ein Aufwachen verhinderten. Ich bin irgendwie in dieser Hinsicht doch ganz froh über die moderne Technik!

Sonntag, 28. April 2013

It's spring!



Der Frühling ist da! Nach fast einem halben Jahr Winter wurde das so langsam auch Zeit: um die 20 Grad (Celsius!) locken die Menschen an diesem Wochenende nach draußen …



Das gute Wetter ging unerwarteterweise schon am Freitag los, wenngleich da auch noch mit merklich mehr Wind. Ich war zum Lunch bei Alex in der Stadt und knapp 20 Grad und Sonnenschein führten bei „Eingeborenen“ zum Tragen von Caprihosen, Fähnchenkleidern, ärmellosen Tops, Flip Flops oder dem Verzicht auf ein Shirt – letzteres erstmals gesehen am Freitag bei einem Schuljungen im Grundschulalter. Danach noch mehrfach bei Joggern.



Alex und ich haben bislang „nur“ den Balkon deutlich mehr genutzt, zum Beispiel für Frühstück und Abendbrot oder zum Lesen am Nachmittag. Meistens noch mit Pulli (der Wind …), aber ich bin schon hinreichend sommerlich eingestellt, um den Balkon nur barfuß mit hochgekrempelter Jeans zu nutzen. Echtes Vogelgezwitscher kann übrigens hochgradig entspannend sein – davon haben wir gerade reichlich, denn eine mir unbekannte Amselart(?) nistet gerade in den Tännchen unterhalb unserer Wohnung.

Amsel(?): schwarz mit blauschimmerndem Kopf und hellerer Unterflügelseite
 

Hm, was hielt der April noch bereit? Für mich vier Arbeitstage als sub teacher … und ein Bewerbungsgespräch als Mathelehrerin in Teilzeit am 2. Mai – alles bei den katholischen Privatschulen hier in der Stadt. Als sub teacher bin ich in Klasse 5 und 6 einer middle school Stammgast (wobei Jahrgang 5/6 hier eigentlich noch zur elementary school  gehören), als Mathelehrerin habe ich mich an der high school beworben. [Für Neulinge im US-Schulsystem: elementary school entspricht der Grundschule vom einjährigen Pflichtkindergarten/Vorschule (K) bis einschließlich Jahrgang 6 (kann variieren) – middle school (manchmal auch junior high) ist Jahrgang 7/8, high school 9-12. Die Altersstufen entsprechen den deutschen, man verlässt hier im Normalfall also mit 18 die Schule.] Je weniger Tage ich unterrichte, desto mehr genieße ich jeden einzelnen. :)



Außerdem bin ich regelmäßig im Dan Abraham Healthy Living Center – dem Fitnessstudio für Mayo-Mitarbeiter und Angehörige. Das beste und günstige (weil von Mayo teilfinanziert) Studio, in dem ich je war. Ein riesiges Angebot an Kursen von Yoga über Strength zu Zumba; Schwimmkurse; Privattrainer; Abnehmprogramme in Kleingruppen; Kurse zu gesunder Ernährung samt Showküche. Und Hydromassageliegen, die ich unbedingt noch einmal für mich buchen muss. Alles zum lächerlichen Preis von – ich glaube – 15 Dollar für zwei Wochen, die direkt von Alex‘ Gehalt abgezogen werden. Aber: Wenn man in den drei Vormonaten mehr als 15 bzw. 30 Besuche im Studio absolviert hat, verringert sich die monatliche Gebühr um 5 bzw. 10 Dollar! Ein Angebot, das seinesgleichen sucht … Dank verknackstem Knöchel und zwei Erkältungen habe ich es nur auf mehr als 15 Mal (seit Anfang Februar) geschafft. Zumba und Strength sind die Klassen, die ich regelmäßig besuche, das Trimm-dich-Fahrrad kann ich jetzt ja gegen das echte ersetzen. Haben wir gestern auch schon gemacht.



Letzte Woche war ich dank einer schnellen Erkältung ein bisschen außer Gefecht (zumindest Dienstag und vor allem Mittwoch), am Donnerstag war ich dann im hiesigen Heimatmuseum. Dazu gibt es auch noch einen Blogeintrag mit vielen Fotos … (Medizingeschichte … hehe) … später. Nächste Woche soll es Regen geben, aber Schnee und Frost sollen nun erst einmal endgültig Geschichte sein.



Alex und ich satteln dann gleich noch einmal die Räder. Alex hatte seins ja aus Deutschland in Teilen verschickt, meins war sein Weihnachtsgeschenk an mich – eins der wenigen Damenräder mit einem Rahmen größer als 26 Zoll. Rochester legt nicht nur wegen der Mayo Clinic (manche sagen, Rochester ist die Mayo Clinic) sehr viel Wert auf die Bewegung seiner Bewohner – deshalb sind, aller Vorurteile zum Trotz die Radwege hier wirklich super ausgebaut und fahren sich prima. Am Fluss entlang, um den See oder eine stillgelegte Eisenbahnstrecke … alles ist möglich. Gestern waren wir um den See, heute wagen wir letzteres und fahren ein Stück des Douglas Trails. Ich hatte Alex darum gebeten, nicht wieder in der Mittagssonne zu starten – nach der Stunde gestern ist eine T-Shirt-Linie an meinem Arm deutlich erkennbar ...



Wer auch noch andernorts von mir lesen möchte: http://german-living.blogspot.com/ ist die englische Version dieses Blogs (mit einigen Rezepten!). Über postcrossing.com bin ich darüber hinaus Gastmutter eines reisenden Spielzeugs geworden – Bärchen Nils ist gerade bei mir. Angesteckt davon, habe ich selbst Kwaadapp auf Reisen geschickt (bzw. bin gerade noch in den Vorbereitungen).

Freitag, 5. April 2013

Let’s go to the Mall … of America



Wir hatten sie ja schon von weitem gesehen, weil Ikea gleich danebenliegt. Und so schnell wollten wir da eigentlich nicht hin – aber dann ging es doch schneller als gedacht.



Autons waren schon mehrfach dort, in der Mall of America, dem größten Einkaufserlebniszentrum der Vereinigten Staaten. Es ist ja auch nur etwas mehr als eine Stunde über den Highway, denn die Mall liegt in einem der südlichen Vororte der Twin Cities (und auch in unmittelbarer Reichweite des Flughafens MSP). Flächenmäßig die vierfachen Braunschweiger Schlossarkaden oder das achtfache Halle-Peißen-Center kreisförmig um einen kleinen Vergnügungspark herum angeordnet. Mit Achterbahnen, Riesenrad, Kettenkarussell und Wildwasserbahn. Ja, ihr habt richtig gelesen! Fressmeilen und jede Menge Shops, darunter sogar einige, die ich bislang nur aus Europa kannte: H&M, Lush, The Body Shop.



Lassen wir Bilder sprechen …


Vergnügungspark

Ja, da ist wirklich eine Wildwasserbahn ...

Und weitere Stahlungetümer ...


Gut für alle, dass die große Tochter von Autons gleich vier Erwachsene dabei hatte – so konnte sie abwechselnd mit einem von uns Achterbahn fahren. Alex durfte so in die Wildwasserbahn, ich in die wendige Achterbahn, wo sich der Wagen selbst auch noch immer im Uhrzeigersinn dreht - und ich mehrmals dachte, "die Ecke nimmt dein Schädel gleich mit" ...

Autons Lütte schäkert (mal wieder) mit Alex. Wir haben schon orakelt, welchen Typ Jungmann sie in etwa 15 Jahren als erstes Date daheim vorstellt: groß, ruhig und dunkel gekleidet ... ;)



Am coolsten war aber eindeutig der Lego-Laden – seiner Deko halber. Natürlich alles aus Legosteinchen aufgebaut und übermenschlich groß. 

Blick von oben auf Mittelalter und Renaissance

Zurück in die Steinzeit!

Actionfilm ...

Die Entdecker - wir auch!


Da hab ich erst gemerkt, was ich doch für ein Lego-Kind bin. (Dafür einen großen Dank an meine Eltern.) Auch wenn ich das Gefühl habe, dass heute Vieles vorgefertigter ist ... Es gibt sogar eine "Buildings"-Reihe für 16+, also offenbar nur zum Aufbauen und dann danach angucken. Zum Stichwort "Angucken":

Auch das noch: eine Galerie für New Scandinavian Art???

... und zwar: Lego-Kunstwerke. Da mussten Studenten lange dran sitzen! ;)


Ach ja: Trotz (oder wegen?) des riesigen Angebots haben Alex und ich nur zwei Dinge gekauft: Ein Handy für ihn, das mit dt. SIM-Karte funktioniert, und einige Postkarten von Minneapolis für mich – zum Teilen mit der Welt da draußen natürlich ...


Einen Laden mit "europäischen Spezialiäten" gab es auch. Aus Deutschland natürlich Sauerkraut, eine recht große Auswahl an Bierhumpen und Schokolade ... Ritter Sport oder Kinder-Schokolade für 4$ je Tafel. *hust*

Montag, 1. April 2013

Easter – and we went to church



Deutschland hat an Ostermontag noch frei, wie auch schon an Karfreitag. Beides sind aber reguläre Arbeitstage hier in Minnesota, wenngleich auch am „Good Friday“ schulfrei und damit der Beginn der einwöchigen Schulferien – Spring break – war.



Ostersonntag – der höchste kirchliche (bzw. christliche) Feiertag. Hier im recht konservativen Mittleren Westen Grund dazu, dass manche Supermärkte geschlossen haben – was sonst nur an Thanksgiving und Christmas Day passiert. In Houston/Texas hätten die Läden offen, meinte Steph. Dennoch sind die aber nicht so voll wie die Kirchen – in beiden Staaten. Und diesmal waren auch Alex und ich unter den Kirchgängern, ich also erstmals in einer US-Kirche.

 
Osterkreuz in der Lobby der Autumn Ridge Church
 

Gemeinsam mit Autons haben wir den traditionelleren „Service“ in der Autumn Ridge Church besucht: klassischer Kirchenchor und Mini-Orchester statt Gospelchor und Band. Der Gebäudekomplex, das Zuhause der Kirche, riesig und eindeutig rein funktional. Es gibt einen Extra-Raum für Kinder, wo diese während des Gottesdienstes betreut werden, ein Café und so weiter. Der Aufbau des Hauptsaals erinnerte eher an eine Aula: Bühne statt Altarraum. Riesige Monitore statt Gesangbüchern. Rednerpult statt Predigtkanzel. Der Pastor in Anzug statt Talar. Am Ende kein Vaterunser, sondern „nur“ ein Fürbittengebet.



Zugegebenermaßen vergleiche ich hier Äpfeln mit Birnen, denn aus Deutschland kenne ich hauptsächlich die ev.-luth. Kirche. Und einige Gemeinsamkeiten gab es auch – so wurde viel gesungen und zumindest die Melodien (wenngleich sie auch immer recht logisch sind) von zwei der drei Lieder mit Gemeindebeteiligung kannte ich auch mit deutschem Text. Das eine war von Gellert komponiert, das andere die Melodie von Tochter Zion. Dann die eher altertümliche Sprache – Englisch nach Shakespeare: „Thou Thee art“. Die Predigt (auch da erwartete der Lutheraner in uns mehr „Moralappell ans Gewissen“ – ich hoffe, ihr versteht, was ich damit meine) bezog sich in erster Linie (aber das liegt an der Ausrichtung der Kirche, wo wir waren) auf die „gute Nachricht“ – die Verkündigung des Evangeliums.



Nach dieser Erfahrung (bewertungsneutral) überlegen wir, einmal den Service einer „Lutheran Church“ hier zu besuchen – es ist ja nicht so, dass es an denen hier mangeln würde: Lutheran Missouri Synod, Lutheran Wisconsin Synod, Lutheran ELCA … Letztere sind selbstwertend „fortschrittlicher“, da sie beispielsweise Frauen zum Priesteramt zulassen und niemanden seiner sexuellen Orientierung wegen ausschließen würden – die „gay marriage and civil rights“-Bewegung sogar unterstützen. Ich könnte nicht wissentlich in eine Kirche gehen, die das nicht täte.


= I do support same sex marriage!


Manche haben sogar ihr Facebook-Foto dahingehend geändert – es unterstützt symbolisch die same-sex marriage, die gerade vor dem Supreme Court verhandelt wird (vereinfacht gesagt). Eigentlich geht es hier um Behebung von Problemen, die resultieren, weil manche Staaten same sex marriages durchführen, andere diese jedoch nicht anerkennen (hinsichtlich Erbschaft etc.) – kurzum: richtungsweisende Urteile, um den Flickenteppich zu beheben.



Hier ein Link zu weiteren Zahlen und Fakten – Vorsicht, in Englisch! http://www.cnn.com/2012/05/11/politics/btn-same-sex-marriage/index.html



Hm, manch einer wird sich vermutlich wundern, wie ich in einem Posting vom Osterfest zur aktuellen Debatte zur same sex marriage komme. Nun ja, Steph wundert sich, wie in einem Land wie Deutschland, in dem die Kirche eine weitaus weniger wichtige Rolle im Alltagsleben der Gesellschaft spielt, dennoch die meisten Feiertage kirchlichen/christlichen Ursprungs sind … Kurzum: Nicht wundern, denn "es ist eben so" ...