Wir bereiten uns gerade mental
auf zwei bzw. vier Wochen in Deutschland vor. Yeah! Und danach kommen mit
meiner Mama und einem unserer Trauzeugen die ersten Gäste nach Minnesota.
Doppel Yeah! Zu diesem Anlass habe ich mir mal Gedanken gemacht über die
kleinen Unterschiede, die wir nach 2+ Jahren hier schon gar nicht mehr als (ver-)
störend wahrnehmen, aber einen Touristen vermutlich erst einmal verwirren.
1. Take your car. Egal, wie kurz der Weg ist, nimm das Auto – ja, das entspricht voll dem Klischee. Wer nicht mit dem Schulbus zur Schule kommt, wird von den Eltern gefahren (entsprechend hoch ist gegen halb neun auch immer das Verkehrsaufkommen vor der Schule). Neben meinem Fahrrad stand während des gesamten Sommers höchstens ein weiteres Schülerrad. Kein Vergleich mit den deutschen Schulhöfen, die von Rädern vollgepflastert sind (zumindest das Provinzgymnasium meiner Schulzeit).
2. Drive-In. Passend zu Punkt 1. Neben der diversen Fastfoodketten, bei denen man fast überall im Durchfahren bestellen kann, gibt zum Beispiel auch Moka. Hier bekommt man Kaffeeprodukte aller Art ohne das Auto verlassen zu müssen. Der Shop selbst ist so groß wie zwei Litfaßsäulen – aber vermutlich ist außer einer Kasse, Kaffeemaschine(n) und einem Menschlein, das beides bedient, nicht viel drin. Außerdem kann man in den USA auch Post einwerfen oder Geld abheben ohne sein Fahrzeug verlassen zu müssen.
3. If you ride your bike, change before work. In Arbeitsklamotten (dem Dresscode entsprechend natürlich, also Stoffhose oder Rock und schickeres Oberteil) auf Arbeit zu radeln – wenn man denn radelt, aber das kommt in Rochester schon häufiger vor – ist undenkbar. Wenn immer ich das tue, heißt es „This is sooo European!“ Jaja, wir Europäer haben manchmal schon seltsame Ideen … Wären 100 Meter Höhenunterschied auf 1000 Meter zu bewältigen, würde ich vermutlich auch in Sportklamotten radeln und dann vorm Unterricht duschen. Aber zehn Minuten Radweg immer schön am Fluss lang – wo ist das Problem? Naja.
4. Deo Sticks instead of Roll-Ons. Ich kaufe Deoroller immer in Deutschland auf Vorrat (Memo an mich: jetzt einen größerer Vorrat mitbringen!). Ich mag diese Deosticks nicht, die es hier stattdessen gibt. Es muss schon einen Grund haben, dass deren Einführung auf dem deutschen Drogeriemarkt scheiterte und sie nur ein absolutes Nischendasein führen.
5. Peanut Butter Obsession. Wir Deutschen haben Nutella (und das war sehr beliebt bei meinem Geburtstagsbrunch!), die US-Amerikaner haben Erdnussbutter. Jedes Kind wächst mit PBJ sandwiches (peanut butter and jelly) auf, es sei denn, es hat eine Erdnussallergie. Die haben hierzulande deutlich mehr meiner Schüler als in Deutschland. Hmmm.
6. Pedicure. Fußpflege und lackierte Zehnägel. Aus Gründen, die mir vollkommen unbekannt sind, hat hier die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung lackierte Zehnägel. Vermutlich bin ich auch dafür zu pragmatisch. Oh, Gleiches gilt für
7. Flat Iron. Lange Haare und Seitenscheitel scheint ganz allgemein und international das Styling für Tweens (weiblich, zwischen Pubertät und Ende 20) zu sein. Aber das Glätteisen und ich werden einfach keine Freunde mehr, es fehlt mir dabei eindeutig an Geduld, Übung und Talent. Außerdem mag ich meine Naturwellen.
8. Turn right at red lights. An allen Ampeln der USA (man braucht übrigens einen Tag, um sich daran zu gewöhnen, dass diese auf der anderen Straßenseite stehen) darf man bei rot rechts abbiegen. Auch ganz ohne grünen Pfeil. Es sei denn, es gibt ein weiteres Schild, das dies untersagt. Kaum ein Verkehrsschild kommt übrigens ohne zusätzliche Worterklärung.
9. Hunting and Fishing. Jagen und Angeln ist für viele das liebste Hobby, gerade in Minnesota. Und es ist keinesfalls begrenzt auf Herren mittleren Alters und aufwärts. Viele meiner Schüler (12-14 Jahre alt) gehen gerne mit ihren (Groß-) Eltern jagen oder eben fischen. Mir wurde schon stolz ein Foto unter die Nase gehalten, das einen Schüler neben seiner etwa genauso großen Angelbeute zeigte.
Als ich neulich in meiner Siebten erwähnte, auf dem Land aufgewachsen zu sein, hieß es, ich sei dann doch bestimmt schon einmal jagen gewesen. Nein, antwortete ich wahrheitsgemäß, das einzige, was ich jemals geschossen habe, seien Dosen gewesen. Stimmt so auch. Von den unterschiedlichen Regularien wie Jagd- oder Anglerschein in Deutschland vs „permit“ in den USA wollte ich erst gar nicht anfangen.
10. „Excuse me“. Vielleicht ist es nur eine Nebenform des sprichwörtlichen „Minnesota Nice“. Doch auffallend ist: Sobald sich der Abstand zwischen dir und einem Fremden auf ca. 30cm (foot long) oder weniger verkleinern könnte(!), entschuldigt man sich prophylaktisch dafür. Vor allem im Supermarkt, aber auch überall sonst, wo viele Menschen sind. Ich bekomme manchmal fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich mit nicht entschuldige und merke im Gegenzug, dass ich mich in Deutschland wahrscheinlich überdurchschnittlich häufig entschuldigen werden, wenn ich irgendwo vorbei will.
11. „Hello! How are you doing?“ ist eine weitere häufig genutzte Floskel. Den Supermarktkassierer interessiert es höchstwahrscheinlich nicht die Bohne, wie es einem geht. Daher nicht ehrlich antworten (oder doch und dann mal schauen, was passiert), sondern lächeln, aus folgenden positiven Antworten auswählen und (optional) die Frage erwidern: „I am okay/good/fine. How are you?“
12. A country of extreme opposites. Ein Land der Gegensätze. Obdachlose schlafen auf Parkbänken (in Houston allgegenwärtig, in Rochester klimabedingt eher selten, aber existent) – funkelnde, mit Marmor und Gold verputzte Eingangshallen. Protzige, polierte SUV – vom TÜV aussortierte Rostlauben. Übergewichte Fastfood-Junkies – Gesundheits- und Fitnessfanatiker.
Gleich gibt es das Achtelfinale –
auch wenn sich glücklicherweise USA und Deutschland aus der Gruppe G
qualifiziert haben, schaue ich das Spiel auf dem kleinen Bildschirm bei einer
Freundin und nicht im Pub (das zum letzten Gruppenspiel gerammelt voll war!).
Diesmal mit Deutschlandtrikot. :)
Sorry, ich hatte heute leider
keine Fotos für euch.