Sonntag, 13. Oktober 2013

More German than we are



Der Herbst ist hier! Ich ertappte mich gestern dabei, mich wie ein Kleinkind über das Geräusch raschelnder Blätter zu freuen, die der Wind erst vor kurzem frisch vom Baum gefegt hatte. Ebenso fasziniert bin ich vom sich stetig verändernden Farbverlauf der Bäume auf dem Hügel gegenüber unserem Wohnzimmer. Und das alles nur, weil unser Herbst im letzten Jahr 2-3 Tage dauerte, als wir von Houston nach Norden fuhren.





Gestern fing der Tag auch richtig schön windig an, ehe es erneut noch einmal richtig schön wurde. Und auch wenn die Wolken mitunter recht bedrohlich aussahen, sie waren im Nullkommanix wieder verschwunden.

Somewhere in Minnesota
 Das Foto habe ich vom Auto aus aufgenommen, denn wir waren gestern mal wieder unterwegs. Von Rochester aus ging es etwa zwei Autostunden lang über den Hwy 14 nach Westen. Unser Ziel:

 



Unmissverständlich und auch schon am Namen zu erkennen – New Ulm, vor mehr als 150 Jahren von deutschen Siedlern gegründet, ist Minnesotas Hauptstadt des German Heritage. Rein zufällig parkten wir unser Auto gleich in der Nähe dieses Heritage Trees, der wichtige Elemente aus der Geschichte New Ulms in Bildern zusammenfasst.


(Wer mehr dazu wissen möchte, klickt hier.)



Sehr interessant fanden wir auch, woran sich das deutsche Erbe laut dieser Schautafel noch heute bemerkbar macht: Industrie, Ordnung, Feste, Musik und die Brauerei. Ah ja … 






Außerdem hatten die Shops an der Hauptstraße auch Namen wie „Haar Friseur“, „Ulmer Café“ oder eben dies hier:





Wobei die „Marktplatz Mall“ recht klein war, ein Teil davon wurde offensichtlich als KiTa genutzt. Und der hatte heute Vorführungen eines bekannten deutschen Märchens


Wir schmunzelten und machten uns dann auf den (Fuß-) Weg zum bekanntesten Monument der Stadt. Weil es die Stadt deutlich überragt, war es auch von weithin schon sichtbar.

Wem kommt das bekannt vor?

Ich persönlich war noch nie im Teutoburger Wald, daher weiß ich nicht, wie groß die Ähnlichkeit tatsächlich ist. Aber ja, Arminius oder Hermann, der Cherusker oder hier ganz einfach Herman the German hat seinen Weg auch nach Minnesota gefunden. Und vor etwa 10 Jahren wurde es als „nationales Erbe der Deutschen in den USA“ offiziell anerkannt.
 
Hermann von hinten


Da triumphiert er ...

(Meine Historikerseele schmerzte ein wenig, dass auf der Infotafel noch behauptet wurde, die Schlacht hätte tatsächlich im Teutoburger Wald stattgefunden – kein Wort von Kalkriese. Naja, nennen wir es didaktische Reduktion ... oder veraltete Infotafeln.)
 

Wir waren übrigens nicht ganz oben, das hätte zwar nur $2.25 gekostet, aber die Sicht war auch so sehr gut und die Plattform war schon recht überfüllt.



Auch diese Bank war zwar wirklich sehr einladend, wir sind dann doch zurück in die Stadt gelaufen, denn wir hatten Hunger auf ohnehin schon verspätetes Mittagessen.

Schönstes Denglish/Germish!




Eingekehrt sind wir hier:





Natürlich hat sich dieses Lokal auf deutsches Essen spezialisiert und ebenso natürlich bestand die Wanddeko dort unter anderem aus naiven Fresken von Rothenburg ob der Tauber oder Neuschwanstein. Aber laut Alex waren seine bestellten Rippchen mit Sauerkraut und Knödel(n) sehr gut. Da ich nicht so der Kraut- und Kohlfan bin, hatte ich etwas ganz anderes, wenn auch mit einer Suppe vorweg: sauerkraut and meatballs. Die schmeckte übrigens sehr lecker und gar nicht nach Kraut!





Wir waren dann noch in diesem "Spezialitätengeschäft".






Neben importierter Schokolade, Kathi-Backmischungen(!) und jeder Menge Bierhumpen (…) gab es auch solche Buttons






… oder andere „typisch deutsche“ Dinge oder Kochbücher mit deutschen Rezepten.



Wir fühlten uns dort nicht so wirklich wohl und haben nur ein paar Postkarten gekauft. Denn, so formulierte es Alex: Das ist alles deutscher, als wir es sind! Nicht weiter verwunderlich, denn die deutschen Traditionen überleben hier seit mehr als 150 Jahren – auch wenn sie erst nach der Nachkriegszeit (WW2) wieder gepflegt werden.



Ich weiß allerdings nicht, wie lange dieses Glockenspiel schon in der Stadt steht. Leider haben wir es nicht erklingen hören, da waren wir gerade essen. 

Besonders niedlich: Die kleinen Musikantenfiguren!


Zu den Traditionen in New Ulm gehört übrigens auch das Oktoberfest. Eine Drei-Mann-Kapelle sorgte für eine passende Blasmusikatmosphäre. Vor der Bühne tanzten einige Polka (auch wenn es nicht wirklich zum Takt passte) und ich habe tatsächlich Männer in Lederhosen und Frauen in Tracht (nicht unbedingt Dirndl) gesehen. Da schon einige Male ein Prosit der Gemütlichkeit inklusive Eins-Zwei-Gaysoofah(!) ergangen war, waren Zungen schon gegen vier Uhr am Nachmittag recht schwer.  Alex und ich haben uns dem nicht angeschlossen - wir mussten fahren.

 
Bierbänke, Blaskapelle, Bier



Eine andere Möglichkeit wäre noch eine Besichtigung der Schell’s Brewery gewesen, aber wir sind dann noch in den an die Stadt unmittelbar angrenzenden Flandrau State Park gefahren und haben am Cottonwood River die Spätnachmittagssonne genossen.







Ich konnte neulich auch eine Kollegin mal überraschen, als ich mir etwas Eintopf zum Lunch aufwärmte (ich habe nachmittags einen Kollegen vertreten). „Is that a German recipe“ fragte sie und ich bejahte – so ähnlich würde auch meine Mutter das (von mir leicht abgewandelt) kochen. Kartoffel-Möhren-Eintopf war in der Wahrnehmung meiner Kollegen aber nicht deutsch genug. Es fehlten wohl Kraut und Spätzle oder Knödel zur Eindeutigkeit ... So erklärte ich dann, dass in meiner Heimat im Norden Deutschlands Gartengemüse und der Einsatz von Heide(!)-Kartoffeln weitaus gebräuchlicher sei und Kraut, Kohl, Knödel typischer für den Süden sind.

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