Montag, 24. September 2012

“Houston, we’ve had a problem“



Dank eurer Genesungswünsche bin ich mittlerweile wieder auf den Beinen. Die Antibiotika haben sehr gut angeschlagen, nur der Stabilität meiner Stimme habe ich noch nicht wieder getraut und war daher auch Samstag nicht in der Schule, sondern habe mich vertreten lassen. Außerdem wollte ich niemanden anstecken und der Obstsalat, den ich mit den Kindern auf dem Plan hatte, wäre auch nicht so lecker geworden, wie er jetzt am Samstag wird. Nach fünf Tagen Ruhe war ich Freitag ein wenig spazieren – und konnte mich mittels Diet Coke und Keks gerade noch selbst davor bewahren, in Ohnmacht zu fallen. Ein klassischer Fall von „übernommen“ – also doppelt gut, mich für Samstag sicherheitshalber noch abgemeldet zu haben. Mein Gesundheitsproblem ist also beseitigt, auch wenn ich weiterhin noch Antibiotika schlucken darf.
Laut Steph wird dieses unsagbar teure Nasenspray übrigens immer dann verschrieben, wenn auch nur der Hauch einer erkältungsverwandten Krankheit gegeben ist. Damit wäre also meine Frage, wie ich zu der Verschreibung komme, geklärt (Pharma-Lobby, ick hör dir trapsen …). Für den nächsten Krankheitsfall weiß ich aber auch, dass ich diese Verschreibung auch ablehnen kann, ich muss das Medikament trotz Verschreibung in der Pharmacy dann nicht kaufen! Es zu kaufen, so Steph, sei ein Fehler, den man nur einmal mache.

Eigentlich wollte ich schon länger von meinem Tag als Tourist berichten, der mich ins NASA Johnson Space Center Houston führte. Ja, genau dorthin, von wo aus am 21. Juli 1969 die ersten Schritte von Neil Armstrong (R.I.P.) auf dem Mond koordiniert wurden. Alex musste leider ins Labor, also bin ich allein mit dem Besuch los, der mich netterweise daheim abgeholt hatte. Eins allerdings vorab: Was hier http://www.spacecenter.org/ so umfangreich angepriesen wird, war aufgrund der Nachsaison (nach dem Labor Day) nicht alles verfügbar. Dank Onlinerabatt waren die Karten mit 18$ pro Person auch günstiger als (laut Reiseführer) zu erwarten, 3$ Parkgebühr waren da fast schon zu verschmerzen. Wir hatten dann erwartet, für die Tram Tour, die Gruppen in Golfcar ähnlichen Wägelchen über das Gelände des Space Centers schleust, noch extra zu bezahlen – aber auch die war inklusive. Nun gut. Dafür bezahlt man, möchte man in den Space Shuttle Simulator; außerdem hat die Cafeteria Mondpreise - aber gut, was will man von einem Freizeitpark, denn genau das ist es eigentlich, auch erwarten. Los geht's!




Eine halbe Stunde nach unserer Ankunft war die nächste Tram Tour und wir hatten auch gerade so noch das Glück, die Gruppe zu vervollständigen, die nach uns wurden abgewiesen und auf die Tour eine Stunde später verwiesen. Zuerst zuckelten wir also ganz gemütlich über das riesige Gelände zur alten Mission Control, wo wir im ehemaligen Presseraum Platz nehmen durften und so Einblick in die historische Kommandozentrale erhielten. Alle Apollo-Missionen wurden hier koordiniert, ebenso auch die des Challenger-Programms. Ein Bildschirm zeigt zudem eine Live-Aufnahme der aktuellen Mission Control (einige Stockwerke unter der alten). Aber ich lasse lieber Bilder sprechen (und entschuldige mich für die Touris in den vorderen Reihen, die unbedingt mit aufs Bild wollten.)


Jede Mission hat ein Wappen.
Und auch das rote Telefon darf nicht fehlen. :-)

Von dort aus dann wieder 87 Stufen abwärts (mit Fahrstuhl für Senioren und Invalide), zurück zur Tram, die uns in die Wartungs- und Versuchshalle brachte. Hier wird alles getestet, was zukünftige Astronauten an Gerätschaften im All kennen müssen. Spezielle Apparaturen simulieren Schwerelosigkeit und andere Weltraum-Spezifitäten. Manches ist noch im Teststadium, anderes erprobt.

Dieser "Canadian Arm" ist dem an der ISS nicht unähnlich.

Planetenfahrzeuge



Unser Reiseleiter, vermutlich Collegestudent, beschrieb viele Details. Leider blieben davon nicht so viele im Gedächtnis wie der auch anderorts im Nasa Center gepredigte Optimismus, spätestens 2020(?) den Mars zu betreten und diesen 2030(?) möglicherweise zu besiedeln – mit keinem Wort wurde die Einstellung der meisten Nasa-Programme („downsizing“) erwähnt, die im letzten(?) Jahr Tausenden von Menschen ihren Job kostete (vgl. http://app1.kuhf.org/articles/1267053819-NASA-Downsizing-a-Big-Hit-to-Houston.html). Stattdessen wurden internationale Zusammenarbeit und auch Privatunternehmen wie ewig selbstverständlich präsentiert.

Doch unsere Skepsis wurde im Wortsinne weggewaschen. Denn die letzte Station, der "Rocket Park", wo man die ausgemusterten und ausgestellten Space Shuttles bewundern konnte, musste wegen Gewitters leider ersatzlos gestrichen werden. Und zum Gewitter kam natürlich auch Regen. Wie aus Eimern, wie es sich für Houston gehört. Gelächter der Verzweiflung vereinte uns Menschen auf dem Wägelchen ebenso wie die Stadien der Erkenntnis: 2 min – „Ich bin nass. Aber trocknet wieder.“; 4 min – „Ich bin nass bis auf die Knochen. Trocknen wird dauern.“; 6 min – „Ich bin nass bis auf die Knochen und ich fange an zu frieren. Wann hört das endlich auf?“; 8 min – „Aua! Schlagen da etwa gerade Hagelkörner auf mir ein? Sind wir gleich da?“; 10 min – „Wir sind da. Schnell rein. Mist, hier ist es ja saukalt!“; 15 min – „Die gesponserten Nasa-Taschentücher sind nur ein Tröpfelchen auf dem heißen Stein. Ich glaube, ich kaufe ein T-Shirt im Souvenirladen, dann bin ich wenigstens obenrum trocken.“
Falls sich also irgendjemand fragte, wie ich bei ewigen 25°C und (deutlich) mehr krank werden konnte – das war der Anlass. Der Regensimulator war einfach zu überzeugend. (Ich sah ähnlich aus, nur schützte meine Tasche meinen Bauch statt des Rückens.)


Mittwoch, 19. September 2012

Going to the doctor …



Ich gehöre eigentlich ja nicht zu den Leuten, die schnell zum Arzt rennen, sondern habe da eher die Arzt-nur-im-Notfall-Einstellung meines Vaters geerbt. Nun ja, wahrscheinlich gepaart mit der Vernunft meiner Mutter, dass zu einem Notfall auch Vorsicht kommen kann. Nachdem einer dieser intensiven Houston-Schauer  mich Mitte der letzten Woche bis auf die Knochen durchnässt hatte (und dann auch noch auf Besichtigungstour weit weg von daheim), habe ich schon befürchtet mir eine Erkältung eingefangen zu haben. Und die beginnt bei mir sehr häufig im Hals, sodass ich Samstag schon mit kratzenden Hals und wärmenden Halstuch zum Unterricht gegangen bin. Aber nichts wanderte. Stattdessen konnte ich Sonntag zunehmend schlechter schlucken und abends dann die Selbstdiagnose stellen: Angina! (Oder akute Mandelentzündung, was euch lieber ist. Sorry, ich erspare euch ab sofort weitere Details. Seht selbst ...



Es ist nicht wirklich normal, unter einer Kuscheldecke im September in einem Apartment in Houston zu sitzen – Fieber zur besten Zeit waren 38.8°C. Montag ging Alex dann wieder auf Arbeit – Sonntag hatte er mich noch umfangreich bepuddelt. Die Mandeln wuchsen Montag weiter an, so auch meine Schluckschmerzen und der Wunsch nach DROGEN statt Hausmitteln wie sauteurem Salbeitee! Nachdem wir überhaupt keine Ahnung hatten, wie das mit dem Arztbesuch hier so abläuft, macht offenbar Versuch kluch – und über unseren Medicare-Provider, Alex‘ Arbeitgeber, kostete es einen Klick und dann einen Anruf zum ersehnten Arzttermin bei der „Emergency Primary Care“.

Ein bisschen was habe ich von Steph ja auch schon mitbekommen, die als gelernte Krankenschwester unsere Spezialistin ist. Der deutsche Allgemeinmediziner heißt hier PCP (Primary Care Physician) und jeder sollte einen haben – nur wenn das nicht der Fall ist oder der PCP nicht verfügbar ist, ist die Emergency Primary Care zuständig. Termin war um 14:00, wir sollten jedoch für den Papierkram etwa 15 Minuten vorher da sein. Dann glich das Procedere sehr dem, was man auch aus Deutschland kennt: Praxisgebühr (hier 15$ „copay“) inklusive! Der umfangreiche Anamnesefragebogen (6 Seiten) war natürlich eine Herausforderung – hätte ich doch meinen Allergiepass und die Dauermedikation lieber schon im Voraus mal ins Englische übersetzt bzw. übersetzen lassen! Immerhin lautete meine Selbstdiagnose nicht auf „inflamed almonds“, sondern auf „inflamed tonsils“.

Eine Schwester/Arzthelferin nahm dann diesen ganzen Fragebogen (zumindest teilweise) noch einmal mündlich ab, Blutdruckmessung inklusive (und eine mobbende Waage bei der Gewichtsermittlung – sogar die Schwester hatte mich deutlich leichter geschätzt) und wir warteten auf den PCP. Wie sich herausstellen sollte, ein Inder und gerade bei dessen Dialekt muss ich immer an Raj von der Big Bang Theory denken. Nun gut, irgendwie konnten wir uns verständigen. Bevor meine Mandeln endlich Beachtung fanden, nahm er mündlich noch die zweite Hälfte des Anamnesebogens ab und noch einige schmutzige Details mehr. Dann endlich: „Why are you here today?“ – „My throat is swollen and swallowing hurts like hell: My tonsils are inflamed.“ – “You saw them?” – “Yes.” Anschließend Abklopfen aller Umgebungsfaktoren: Schnupfen? Husten? Ohrenschmerzen? (alles nein) Veränderung der Stimme? (Blick zu Alex, der die ganze Zeit mit mir gewartet hatte: Ein wenig.) Schnarchen? (Gerade leider ja.)
Dann endlich näherte sich der Arzt, der die ganze Zeit hinterm Computer stand, mir auf weniger als drei Meter und horchte die Lunge ab, schaute ins Ohr und dann endlich auch in den Mund. Und weil ihm da schon deutlich etwas entgegen leuchtete, war meine Diagnose wohl so falsch nicht. Die Schwester würde gleich kommen und mich testen (auf Streptokokken). Wenige Minuten später war sie dann auch da und wollte mit einem verlängerten Wattestäbchen eine Probe aus meinem Rachen nehmen. Nachdem ich ihr anfangs immer entweichen wollte („Stay here!“), hat sie dann doch noch ihre Proben bekommen – und bei mir einen Würgereiz ausgelöst.

Weil der Test negativ war, bekam ich ein Breitbandantibiotikum verschrieben – weil ich gesagt habe, dass ich darauf auch schon mit Nebenwirkungen (Magen-Darm …) reagiert habe, aber nur in der Kinderdosis. Außerdem bekam ich noch ein Nasenspray – und frage mich immer noch, wann ich gesagt habe, dass mir die Nase Probleme macht … Außerdem noch ein Info-Blatt „Was tun bei tonsillitis (Mandelentzündung)?“ Ich bin mir gerade noch nicht sicher, ob ich wirklich einmal stündlich mit Salzwasser gurgeln will … Gesamtkosten bis hier: 15$. Gesamtzeit 90 Minuten. Deutschland nicht unähnlich. Abgesehen von der Gestaltung des Wartezimmers, auch mit Kinderspielecke, aber statt Zeitschriften ein Fernseher …

Die Verschreibung war zu diesem Zeitpunkt bereits zu CVS geschickt worden, die unserer Wohnung am nächsten liegenden pharmacy (2min mit dem Auto). Hier ist ja viel mehr frei verkäuflich als in Deutschland, Drogerie und Apotheke geht nahtlos ineinander über. Alex hatte mir schon Montagabend Ibuprofen (200) mitgebracht, 80 Tabletten zu 7$ … Nun also aber mit Ausdruck der Verschreibung zum Pick-Up-Counter – noch war nichts fertig. Eine halbe Stunde später: das Nasenspray konnte mitgenommen werden. Das Antibiotikum nicht: „Die Dosierung 775 gibt es gar nicht, jetzt warten wir auf den Rückruf, wie hoch sie sein soll.“ Abends war Alex dann noch einmal los und endlich hielt ich die 10 sehnsüchtigen erwarteten Stück Drogen in der Hand … Kostenpunkt für das Antibiotikum 12$ (10 Tabletten) – das Nasenspray 63$! Das muss echt verdammt gutes Zeug sein …

Worin sich Deutschland und die USA ebenfalls nichts nehmen: Kapselgröße passt nicht zu Schluckschmerzen.



Aber sie wirkt. Der Hals ist von außen weniger druckempfindlich, die nächste heute abend sorgt hoffentlich für das gleiche von innen ... Hoffentlich Ende gut, alles gut ...

Dienstag, 11. September 2012

Photos! Finally ...

Da erzähle und erzähle ich immer von Houston, aber außer ein paar neidisch machenden Schönwetterstrandaufnahmen gab es noch nichts zu sehen. Hier also einmal ein paar Eindrücke von unserem bzw. eher Alex täglichem Weg zur Arbeit ins Medical Center. Oder, wie Alex es formulierte: "Ich dachte schon, du fängst mit dieser Touri-Schiene gar nicht mehr an!" O doch ...

Wir wohnen in Houston am Rande des Museum Districts. Na, warum heißt der wohl so? ;-) In geringster Laufentfernung von uns liegt das "Museum of Fine Arts", das sich gleich über mehrere (mehr oder weniger) klotzige Gebäude entlang der Main/Binz Street verteilt. Auch der Weg zur einzigen Linie der Straßenbahn MetroRail, neben Bussen das einzige öffentliche Verkehrsmittel in der Millionenstadt Houston (...), führt direkt daran vorbei.

 Museumsklotz neben Methodistenkirche. Unten zeigen die Straßenbahnschienen, woher sie kommt: Downtown.


Wir fahren nur vier Stationen weiter zum TMC (Texas Medical Center), zu dem auch Alex' Arbeitsplatz gehört - im kleineren Gebäude auf der rechten Seite.
  
Wie der Skywalk (die Fußgängerüberführung zwischen den Gebäuden) schon zeigt, müssen wir den gesamten Bereich tagsüber eigentlich nicht mehr verlassen: Friseur, Drogerie, Restaurants-Bistros-Cafés, "Gift Shop" und andere Boutiquen - das TMC hat alles und ist damit ein zweites Downtown. Deshalb kann es manchmal auch schon etwas dunkler werden, ehe wir nach Hause kommen. 
Okay, zugegebenermaßen mag dies auch an der Verwendung meiner Handykamera liegen, die die Kontraste unbeabsichtigerweise noch etwas stärker hervorhebt. Dazu noch das indirekte Gegenlicht ... Aber es ist schon auffällig, dass die Dämmerung, die im mitteleuropäischen Sommer schon so ihre zwei Stunden dauern kann, hier im Vergleich kaum vorhanden ist. Sonne weg - zack: dunkel!

Der Heimweg führt dann wieder vorbei am Museum of Fine Arts (das donnerstags freien Eintritt hat - das werde ich mir nicht entgehen lassen!) und an zahlreichen Kirchen, von denen man einige noch in der Straßenbahn passiert und andere erst zu Fuß auf dem Weg von der Haltestelle. Zu den ersteren gehört die Episkopalkirche Palmer Memorial Episcopal Church, die wegen ihres Engagements für die Obdachlosen gerade morgens recht gut frequentiert wird.

So ganz habe ich die Feinheiten und Abstufungen der hiesigen Kirchenwelt noch nicht durchschaut. Christlich sind sie alle, ich wäre "lutheran", insgesamt aber lässt mein erster Kirchenbesuch hier noch ein wenig auf sich warten - ich glaube, ich denke zu säkulär. Die Auswahl zumindest wäre reichlich, optisch am ansprechendsten - und Ende der 1920er gebaut, also relativ alt: St. Paul Methodist Church.


Und gleich nebenan findet sich dann auch noch die St Matthew Lutheran Church, allerdings deutlich unauffälliger.

Vielleicht aber sollten wir uns eher unserem Vermieter, der First Presbyterian Church, verpflichtet fühlen. Deren Gelände und Gebäude sind riesig, versorgen aber auch noch eine ganze Schule bis einschließlich Klasse 8 mit Räumen, Spiel- und Sportplatz. Ganz zu schweigen von dem nötigen Parkraum für alle Lehrer- und Elternfahrzeuge oder (am Wochenende) Gottesdienstbesuchern. Von außen ganz nett anzusehen, von innen bestimmt presbyterianisch-schlicht-funktional: 




Und ganz am Ende natürlich die Antwort auf die Frage, warum es hier so wenig Fußgänger oder Radfahrer und so viele Autofahrer gibt: Bei dieser Fußwegqualität. Vorsicht, Stufe!








Sonntag, 9. September 2012

Lost in translation



Zunächst einmal die gute Nachricht: Houston wurde frontal von einer Kaltfront getroffen! So angenehm haben wir das Wetter hier noch nie erlebt – strahlend blauer Himmel,  Temperaturen deutlich unter 30°C und eine Luftfeuchtigkeit von nur 60%. Es fühlt sich an wie europäischer Sommer und meinetwegen könnte es den ganzen Rest des hiesigen "Herbstes" so bleiben. Heute Nacht blieb die Klimaanlage aus, stattdessen schliefen wir mit offenem Fenster. Und daran hat sich auch bis jetzt (10.30 Uhr Ortszeit) nichts geändert. Ich genieße die lauen Brisen, die gerade durch das geöffnete Fenster in die Wohnung dringen. (Beim Einstellen des Posts ist es zwei Stunden später und dank Sonneneinstrahlung muss die A/C wieder laufen. Das ändert aber nichts an dieser Sonntagsidylle - inklusive eines vollen Parkplatzes, braven Kirchgängern sei Dank.)




Außerdem haben wir gerade Besuch aus Deutschland (gehabt) – die beiden sind heute und morgen aber in San Antonio und waren gestern vormittag mit Alex in der Stadt unterwegs, während ich nun schon zum dritten Mal an der Samstagsschule unterrichtet habe. Deutsch als Fremdsprache, falls es jemand noch nicht wusste. Neben meinen zehn 8- bis 10-Jährigen am Vormittag (von neun bis dreiviertel zwölf, mit 20 Minuten Pause dazwischen) auch noch völlig überraschend eine Erwachsenengruppe mit absoluten Anfängern. Nach den ersten Rückmeldungen schlage ich mich wohl ganz gut und habe auch schon Angebote für privates „tutoring“ erhalten. Wenn ich doch nur wüsste, wie lange wir noch hier vor Ort sind … Bei der Stundenplanung und dem Schreiben des Wochenplans (den wir bis Donnerstag immer per Mail übermitteln sollen, damit wir bei spontanen Krankheiten schneller zu vertreten sind) fühle ich mich allerdings sehr an den Beginn des Referendariats oder noch mehr an die ersten Stunden im Praktikum während des Studiums erinnert: Aber ich fange ja auch gerade erst an mit der Entdeckung von Didaktik und Methodik im Fremdsprachenunterricht.

Die Kinder haben zwar überwiegend zumindest einen deutschsprachigen Elternteil (viele sind an einer der hiesigen Unis/Colleges tätig), lernen Deutsch dennoch als Fremdsprache. Sie verstehen vieles, was man sie fragt, sofort – Antworten werden meistens aber auf Englisch gegeben, ihrer „natürliche“ Umgebungssprache. Ich muss zugeben, dass ich in dieser Klasse zu viel Englisch spreche und muss mehr Deutsch von Ihnen einfordern. Aber eigentlich sind alle ganz lieb, auch wenn zwei Jungs schon ein wenig in die vorpubertäre Null-Bock-Haltung verfallen. Ich kann es Ihnen nicht verübeln: Sie gehen schon von Montag bis Freitag in die Schule und dann müssen sie es auch noch Samstag vormittags …

Herausfordernd auf eine andere Art und Weise ist aber insbesondere die Erwachsenenklasse. Die sind alle freiwillig da – nun ja, viele von ihnen haben einen deutschen oder deutschsprachigen Partner, wie ich inzwischen mitbekommen habe und wurden sicherlich „liebevoll überredet“ oder haben sich selbst dazu entschlossen auch ein wenig deren Sprache zu lernen. Begonnen haben wir mit einfachen Dialogen: „Wie ist Ihr Name?“  - „Woher kommen Sie?“  - „Wo wohnen Sie?“  einschließlich der passsenden Antworten. Die Beugung der Verben war da das erste Problem: „Oh my god“ habe ich mehr als einmal gehört. Inzwischen verzweifelt die Gruppe aber gemeinschaftlich an der deutschen Aussprache. „I was told you pronounce  e-v-e-r-y  s-i-n-g-l-e  letter in German – but I hadn’t expected it to be that bad!” Die größte Herausforderung von allen aber ist das “ch”. “How do you make that noise?” wurde ich mehr als einmal verzweifelt gefragt. Mehr als „It is like clearing your throat – but don’t spit out.“ konnte ich bislang aber nicht als Hilfestellung geben. Da brauche ich doch die Hilfe meiner fließend deutschsprachigen, aber US-amerikanischen Kollegin – und außerdem habe ich eine sehr gute britische Seite gefunden, die genau solche Laute erklärt und mit vielen Hörbeispielen arbeitet. Ich hoffe, es wird helfen …

Lost in translation bin ich vor allem dann, wenn die Erwachsenen eine wörtliche Übersetzung der Dialoge fordern. „Ja klar“ ist „of course“, nicht „yes clear“ … Hatte ich schon erwähnt: Wir lachen viel in diesen Kursen!

Dienstag, 4. September 2012

On the beach




Während sonst auf der Welt (außer in Japan) der Tag der Arbeit am 1. Mai gefeiert wird, ist in den USA der erste Montag im September „Labor Day“ und gleichzeitig offizielles Ende des Sommers (während der Memorial Day am letzten Montag im Mai ihn eröffnet). Da die meisten Amerikaner nur 10 bezahlte Urlaubstage haben, sind diese langen Wochenenden für Kurztrips natürlich sehr beliebt. Viele Houstonians zieht es runter an den Golf von Mexiko, so auch uns.

Am Sonntag folgten wir der Einladung von Autons zu deren Familientreffen nach Surfside Beach, eine kleine (überwiegend) Rentnersiedlung in der Nähe von Freeport, vom Golf nur durch einen eher niedrigen Deich getrennt. Die Bauweise des Hauses auf Stelzen passt sich den Erfordernissen der Hurrikan geplagten Golfküstenregion an: „Niemand lagert unten etwas Wichtiges – dort parken nur Autos oder lagern Strandsachen.“ Hurrikan Ike, der 2008 verheerende Schäden zwischen Golf und Houston anrichtete, ist noch spürbar im Gedächtnis der Leute. Doch dazu später mehr.

In Surfside Beach lernten wir also noch einige Personen mehr aus Stephs großer Familie kennen, darunter auch ihre Eltern und deren Geschwister – kurzum: Wir senkten den Altersdurchschnitt enorm! Hatte Alex am Vorabend noch empfohlen, lieber nicht über Politik zu diskutieren, waren wir plötzlich mittendrin. Denn die Familie selbst ist auch gespalten: In Demokraten wie Stephs Vater, 66-Jähriger Posaunist, Musiker und Charmeur, der einen roten (neuen) VW-Beetle mit etlichen Pro-Obama-Aufklebern fährt. Auf der anderen Seite dann Stephs Onkel Don, ehemals (soweit ich es verstanden habe) bei der US Army (und daher) Republikaner.
[Kurzer Exkurs: Der Parteitag der Republikaner in der letzten Woche wurde jeden Abend in voller Länge auf ALLEN Hauptsendern übertragen, die wir mit unserer digitalen Antenne bekommen. Der Parteitag der Demokraten im gleichen Ausmaß nur vom hiesigen PBC-Abkömmling (entspricht am ehesten den öffentlich-rechtlichen), die Hauptrede von Obama und Biden am Donnerstag auch von NBC. Immerhin …  - Parteilichkeit? Meine Bildung hab ich aus dem Fernsehen? - Fällt nur uns Europäern als externen Beobachtern das auf?]

So oder so, wir hatten gutes texanisches Essen (und den Rest davon gestern abend) und die seltsame braune Pampe, die ich mir ganz mutig auf die Tortillas schmierte, hat sich als leckere Bohnenpaste entpuppt. Mit Lichtschutzfaktor 50 waren wir dann gegen Abend am Strand. Hurrikan Isaac hat Texas zwar komplett verschont, statt blau bis grün wie sonst kam das Wasser durch den vielen lockeren Sand nur aber sehr, sehr braun an Land. Und auf unerklärliche Weise habe ich in fünf Minuten Rückweg zwischen Strand und Veranda ebenso viele Mücken angezogen. Hatte ich schon erwähnt, dass deren Stiche bei mir gerne einmal eine selbstheizende, geschwollene rote Fläche mit Radius von bis zu zehn Zentimetern ausbilden?

Gestern, am freien Montag, ging es dann nur mit Autons nach Galveston. Beide haben dort gewohnt, geheiratet und gearbeitet, ehe Hurrikan Ike im September 2008 deren Haus abdeckte, gründlich unter Wasser setzte, Steph ein neues Knie bescherte (auf nasser Treppe ausgerutscht) und somit letztendlich für deren Umzug sorgte. In den letzten vier Jahren wurde zwar Vieles wieder aufgebaut, aber für Matt und Steph hat sich Galveston nicht zum Vorteil verändert: Es ist nun noch mehr auf Touristen ausgerichtet. Statt vieler verschiedener Restaurants bieten alle entlang des Seawalls, der nach dem 1900-Sturm aus Beton gegossenen Strandpromenade, in etwa das Gleiche an. Der Charme fehlt, viele der alten, gleich nach 1900 wieder errichteten viktorianischen Villen stehen immer noch leer und verfallen zusehends. Nur manche, vor allem nahe des Stadtzentrums, der Bummelmeile „The Strand“ strahlen wieder im alten Glanz. Auffällig für die beiden ist auch, dass die Mittelschicht nach Ike weggebrochen ist: Die Reichen haben Galveston gekauft, indem sie den Wiederaufbau finanzierten; die Armen konnten es sich nicht leisten, wegzugehen. Und so ist Galveston, bis 1900 prospierende größte Stadt Texas‘, heute nur noch ein Seebad für Houstonians (wie uns).

Im Fish Tales haben wir sehr gut zu Mittag gegessen und ich war erstaunt, wie geduldig die Kellner mit dem Chaos waren, das entsteht, wenn außer vier Erwachsenen noch eine sechsjährige Dramaqueen und eine zehnmonatige furchtlose Grinsebacke  mit am Tisch sitzen. (Gleichzeitig waren Autons sehr erfreut über unsere Geduld mit ihnen. Aber der Grinsebacke kann man nicht widerstehen, vor allem nicht, weil sie Alex total anhimmelt.) Danach haben wir uns noch ganz touristisch ein überdachtes Vier-Personen-Fahrrad gemietet und sind ein wenig den Seawall entlang gestrampelt. Eine Stunde hat aber auch gereicht, körperliche Betätigung jeder Art bei 35°C sollte nicht länger als nötig ausgeübt werden.

Was vom Wochenende bleibt: Ein leicht rotbrauner Arm, der vom Dach des Fahrrads nicht erfasst wurde. Ein blauer Fleck am linken Knie, weil ich zu groß für die Rückbank des Fahrrads war und das Knie nicht immer weit genug weggedreht habe. Und ein böses Erwachen heute früh: Einer der fünf Mückenstiche an meiner Schläfe ist mit einem Tag Verspätung so stark angeschwollen, dass es bis zum Auge reicht. Zumindest vermute ich das als Ursache. Und außerdem noch Fotos als Beweis dafür, dass Labor Day hier in und um Houston noch längst nicht das Ende des Sommers ist …



Zum Nachlesen der Auswirkungen von Ike 2008 und den "1900 storm" auf Galveston und den Golf:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hurrikan_Ike und
http://de.wikipedia.org/wiki/Galveston-Hurrikan_%281900%29