Montag, 27. August 2012

paperwork, pt 2 – Alex‘ Passierschein, mein Führerschein


Nachdem wir am vergangenen Samstag zweimal unverrichteter Dinge wieder aus der Bank gingen, konnte ich einen Spruch der Art „zwei Personen, zwei Meinungen“ nicht unterdrücken. Ich weiß nicht, ob ich eher verärgert oder verwundert war. Eine Stromrechnung auf meinen Namen und die Adresse oder mein Name auf dem Mietvertrag sollte mehr Glaubwürdigkeit besitzen als eine Heiratsurkunde, ein gemeinsamer Nachname und zwei gültige Visa? Doch Alex konnte nur darüber lachen: „Was meinst du, wie es mir ging, als ich im Februar hierher kam?“

Stimmt, damals musste er deutlich mehr Ausdauer beweisen. Schon die Wohnung hat er nur durch tatkräftige Unterstützung seines Chefs überhaupt mieten können. Eingezogen ist er ohne Strom- oder Gasanschluss (und damit ohne heißes Wasser) – und beides brauchte auch noch eine Weile. Online beantragen ist auch nur möglich, wenn man einen US-Führerschein UND eine Sozialversicherungsnummer (kurz: SSN) hat. Die SSN kann man aber erst dann beantragen, wenn man mindestens zehn Tage in den Staaten war. Immerhin war es dann dank Telefonat und saftiger Kaution kein Problem mehr, Strom anzumelden und zu bekommen. So musste Alex nicht mehr im Dunkeln vor seinem auf Akku laufenden PC sitzen mit einem leeren Kühlschrank hinter sich und unrasiert bleiben ... Glücklicherweise ist auch das „kalte“ Leitungswasser dank hoher Umgebungstemperatur piewarm und er konnte sich mit etwas Überredungskraft auch hier duschen. Auch wenn Familie Auton ihm sehr entgegenkam. Und Gas gab es dann mit SSN (und Kaution) auf deutschem Ausweis wenige Tage später auch. Doch da wir beschlossen haben, so schnell hier nicht zu kochen, brauchen wir Warmwasser auch nur für leidlich heiße Duschen.

Der letzte formale Akt für Alex allein war dann der Autokauf im April. Nach langer und gründlicher Internetrecherche sollte es ein Kia Optima, Baujahr 2004 werden. 80000 Meilen, goldfarben, helle Innenausstattung, in Deutschland ein Klassiker in der Kategorie Rentnerfahrzeug, weil auch äußerlich sehr gut gepflegt. Und dafür ein echtes Schnäppchen, weniger als 5000$! Warum: manuelle Schaltung, kaum jemand in den Staaten fährt damit freiwillig. Ein eingebauter Diebstahlschutz also noch gratis obendrauf. Texas tauscht auch – hier war ausnahmsweise sehr wenig Papierkram notwendig – den deutschen Führerschein ein, so dass keinerlei extra Prüfungen anfielen. Den deutschen kann Alex dann bei längerem Aufenthalt in der Heimat wieder beantragen. Was hier so schön problemlos war, zahlte sich bei der Versicherung aber nicht aus. Die mehr als zehn Jahre Führerschein und Fahrpraxis in Deutschland wurden hier leider nicht anerkannt, sodass er hier als Fahranfänger eingestuft wurde. Entsprechend hoch ist auch die Prämie …

Für mich hatten wir beschlossen, wäre es praktischer, den deutschen Führerschein zu behalten – und sei es auch nur, um ggf. in Europa günstiger ein Auto mieten zu können. Sofern ich abstreite, einen Führerschein zu haben, wäre das auch kein Problem – ich muss nur wie ein Fahranfänger Sehtest, theoretische und praktische Prüfung machen. Nachweis über Fahrstunden? Nöö, ich muss nur nachweisen, dass ich mein eigenes Fahrzeug, mit dem ich auch zur Prüfung antrete, beherrsche. Wie auch immer ich das gelernt habe (als US-Teenie gibt es Fahrstunden z.B. über die High School oder als „parental teaching“ von den Eltern), ist egal. Mit Blick auf Minnesota habe ich mal auf die dortigen Regeln geschielt. Dort ist man nämlich etwas strenger: selbst die Texaner, die schon seit Jahrzehnten hier Auto fahren, müssen für die Überschreibung durch eine theoretische Prüfung. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie groß die Freude bei Familie Auton war: „Oh my gosh, my written test was more than 25 years ago!“ Und von einer Überschreibung des deutschen Führerscheins natürlich erst recht keine Spur. Ich werde dort dann Fahranfänger sein, mit 30, eine dreimonatige „learner’s permit“  zwischen schriftlicher und praktischer Prüfung inklusive. Um das Chaos zu vervollständigen: „Gästeweise“ darf ich natürlich in allen Staaten mit dem deutschen Führerschein fahren. Nur sind wir nach der Abmeldung in Deutschland „non-permanent residents“ und keine Gäste mehr. Und: Trotz sündhaft teurer Versicherung würde die im Schadensfall (mit mir hinterm Steuer) nicht zahlen.
Ich glaube, für den kommenden Road Trip nach Minnesota werden wir das Risiko dennoch eingehen.

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