Ich gehöre eigentlich ja nicht zu den Leuten, die schnell
zum Arzt rennen, sondern habe da eher die Arzt-nur-im-Notfall-Einstellung
meines Vaters geerbt. Nun ja, wahrscheinlich gepaart mit der Vernunft meiner
Mutter, dass zu einem Notfall auch Vorsicht kommen kann. Nachdem einer dieser
intensiven Houston-Schauer mich Mitte
der letzten Woche bis auf die Knochen durchnässt hatte (und dann auch noch auf
Besichtigungstour weit weg von daheim), habe ich schon befürchtet mir eine
Erkältung eingefangen zu haben. Und die beginnt bei mir sehr häufig im Hals,
sodass ich Samstag schon mit kratzenden Hals und wärmenden Halstuch zum
Unterricht gegangen bin. Aber nichts wanderte. Stattdessen konnte ich Sonntag
zunehmend schlechter schlucken und abends dann die Selbstdiagnose stellen:
Angina! (Oder akute Mandelentzündung, was euch lieber ist. Sorry, ich erspare
euch ab sofort weitere Details. Seht selbst ...)
Es ist nicht wirklich normal, unter einer Kuscheldecke
im September in einem Apartment in Houston zu sitzen – Fieber zur besten Zeit
waren 38.8°C. Montag ging Alex dann wieder auf Arbeit – Sonntag hatte er mich
noch umfangreich bepuddelt. Die Mandeln wuchsen Montag weiter an, so auch meine
Schluckschmerzen und der Wunsch nach DROGEN statt Hausmitteln wie sauteurem
Salbeitee! Nachdem wir überhaupt keine Ahnung hatten, wie das mit dem
Arztbesuch hier so abläuft, macht offenbar Versuch kluch – und über unseren Medicare-Provider,
Alex‘ Arbeitgeber, kostete es einen Klick und dann einen Anruf zum ersehnten
Arzttermin bei der „Emergency Primary Care“.
Ein bisschen was habe ich von Steph ja auch schon mitbekommen,
die als gelernte Krankenschwester unsere Spezialistin ist. Der deutsche
Allgemeinmediziner heißt hier PCP (Primary Care Physician) und jeder sollte
einen haben – nur wenn das nicht der Fall ist oder der PCP nicht verfügbar ist,
ist die Emergency Primary Care zuständig. Termin war um 14:00, wir sollten
jedoch für den Papierkram etwa 15 Minuten vorher da sein. Dann glich das
Procedere sehr dem, was man auch aus Deutschland kennt: Praxisgebühr (hier 15$
„copay“) inklusive! Der umfangreiche Anamnesefragebogen (6 Seiten) war
natürlich eine Herausforderung – hätte ich doch meinen Allergiepass und die
Dauermedikation lieber schon im Voraus mal ins Englische übersetzt bzw.
übersetzen lassen! Immerhin lautete meine Selbstdiagnose nicht auf „inflamed
almonds“, sondern auf „inflamed tonsils“.
Eine Schwester/Arzthelferin nahm dann diesen ganzen
Fragebogen (zumindest teilweise) noch einmal mündlich ab, Blutdruckmessung
inklusive (und eine mobbende Waage bei der Gewichtsermittlung – sogar die
Schwester hatte mich deutlich leichter geschätzt) und wir warteten auf den PCP.
Wie sich herausstellen sollte, ein Inder und gerade bei dessen Dialekt muss ich
immer an Raj von der Big Bang Theory denken. Nun gut, irgendwie konnten wir uns
verständigen. Bevor meine Mandeln endlich Beachtung fanden, nahm er mündlich
noch die zweite Hälfte des Anamnesebogens ab und noch einige schmutzige Details
mehr. Dann endlich: „Why are
you here today?“ – „My throat is swollen and swallowing hurts like hell: My
tonsils are inflamed.“ – “You saw them?” – “Yes.” Anschließend Abklopfen
aller Umgebungsfaktoren: Schnupfen? Husten? Ohrenschmerzen? (alles nein)
Veränderung der Stimme? (Blick zu Alex, der die ganze Zeit mit mir gewartet hatte: Ein wenig.) Schnarchen? (Gerade leider
ja.)
Dann endlich näherte sich der Arzt, der die ganze Zeit
hinterm Computer stand, mir auf weniger als drei Meter und horchte die Lunge
ab, schaute ins Ohr und dann endlich auch in den Mund. Und weil ihm da schon
deutlich etwas entgegen leuchtete, war meine Diagnose wohl so falsch nicht. Die
Schwester würde gleich kommen und mich testen (auf Streptokokken). Wenige
Minuten später war sie dann auch da und wollte mit einem verlängerten
Wattestäbchen eine Probe aus meinem Rachen nehmen. Nachdem ich ihr anfangs
immer entweichen wollte („Stay here!“), hat sie dann doch noch ihre Proben
bekommen – und bei mir einen Würgereiz ausgelöst.
Weil der Test negativ war, bekam ich ein
Breitbandantibiotikum verschrieben – weil ich gesagt habe, dass ich darauf auch
schon mit Nebenwirkungen (Magen-Darm …) reagiert habe, aber nur in der
Kinderdosis. Außerdem bekam ich noch ein Nasenspray – und frage mich immer
noch, wann ich gesagt habe, dass mir die Nase Probleme macht … Außerdem noch
ein Info-Blatt „Was tun bei tonsillitis (Mandelentzündung)?“ Ich bin mir gerade
noch nicht sicher, ob ich wirklich einmal stündlich mit Salzwasser gurgeln will
… Gesamtkosten bis hier: 15$. Gesamtzeit 90 Minuten. Deutschland nicht
unähnlich. Abgesehen von der Gestaltung des Wartezimmers, auch mit
Kinderspielecke, aber statt Zeitschriften ein Fernseher …
Die Verschreibung war zu diesem Zeitpunkt bereits zu CVS geschickt
worden, die unserer Wohnung am nächsten liegenden pharmacy (2min mit dem Auto).
Hier ist ja viel mehr frei verkäuflich als in Deutschland, Drogerie und
Apotheke geht nahtlos ineinander über. Alex hatte mir schon Montagabend Ibuprofen
(200) mitgebracht, 80 Tabletten zu 7$ … Nun also aber mit Ausdruck der
Verschreibung zum Pick-Up-Counter – noch war nichts fertig. Eine halbe Stunde
später: das Nasenspray konnte mitgenommen werden. Das Antibiotikum nicht: „Die
Dosierung 775 gibt es gar nicht, jetzt warten wir auf den Rückruf, wie hoch sie
sein soll.“ Abends war Alex dann noch einmal los und endlich hielt ich die 10
sehnsüchtigen erwarteten Stück Drogen in der Hand … Kostenpunkt für das
Antibiotikum 12$ (10 Tabletten) – das Nasenspray 63$! Das muss echt verdammt
gutes Zeug sein …
Worin sich Deutschland und die USA ebenfalls nichts nehmen:
Kapselgröße passt nicht zu Schluckschmerzen.
Aber sie wirkt. Der Hals ist von außen weniger druckempfindlich, die nächste heute abend sorgt hoffentlich für das gleiche von innen ... Hoffentlich Ende gut, alles gut ...
Ohje, dann mal gute Besserung! Lass dich gut pflegen :-)
AntwortenLöschenDer Preis für das Nasenspray ist echt der Hammer... Vor allem so ganz ohne Schnupfen ;-)
Symptom lautet "postnasal drip" - aber ob ich das bejaht habe oder der nette Inder sich das gedacht hat - keine Ahnung!
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