Kaiserwetter!
Nachdem es am Samstag kaum eine Viertelstunde ohne Regen gab, hat sich Houston
gestern so weit abgekühlt, dass ich heute bei nahezu herbstlichen 23°C sehr
viele Houstonians mit langärmeligen Pullovern oder Jäckchen sehen konnte. Und
während es gestern noch bedeckt war, strahlt heute wieder die Sonne vom Himmel.
So oder so, heute nacht (wir schlafen stets bei offenem Fenster mit davor
gespanntem Mückenschutz) habe ich fast ein bisschen gefroren – und mich gerne
an Alex gekuschelt. Nicht nur deshalb könnte meinetwegen dieses Wetter bleiben,
aber es soll wieder wärmer werden, wenn – laut Wettervorhersage – auch die
90°F-Marke nicht mehr geknackt werden soll.
Inzwischen
bin ich sechs Wochen hier in Houston und beim Frühstück fragte mich Alex, ob
ich mich nun eingelebt hätte. „Ich mag Jahreszeiten“ ist dabei meine Codeantwort darauf, dass mich
die ständige Hitze ziemlich nervt. Und außerdem fehlen (natürlich) Freunde und
Familie, wenn auch Skype ein wenig kompensiert. Ich freue mich immer wahnsinnig
auf den Deutschunterricht am Samstag (auch wenn ich danach immer einen
Mittagsschlaf brauche) und bin stolz auf die Fortschritte vor allem der
Erwachsenen, die noch vor sechs Wochen kein Wort Deutsch sprachen. Außer „Autobahn“
und „Zwei Bier, bitte“ vielleicht. Mittlerweile verfluchen sie „that noise“
namens ch (vor allem das harte wie in „Gute Nacht!“), hatten Spaß an MFG von
den Fantastischen Vier (und dabei stellten wir fest, wie viele Abkürzungen in
den USA und Deutschland gleich sind) und fordern einen Field Trip, also einen
Klassenausflug, in ein deutsch geführtes Lokal oder am besten gleich zum
Oktoberfest (hier gibt es auch eins) um ihre Kenntnisse im Bestellen von
Getränken und Smalltalk unter Beweis zu stellen. Und im nächsten Kapitel warten
schon die Artikel „der/die/das“ – mal schauen, wie viel Spaß Ihnen das noch bereitet.
Seit etwa
zehn Tagen halte ich außerdem meine Arbeitserlaubnis in den Händen, die ich ursprünglich
bereits im Mai beantragt hatte und deren letzten Papierkram ich vor etwa fünf
Wochen eingereicht hatte. Diese Erlaubnis
ist eine Plastikkarte und sieht so aus:
Schutz persönlicher Daten - ihr wisst ja, was da steht |
Damit konnte
ich nun auch zur Social Security Administration (in Midtown, von uns aus auf
der Hälfte Richtung Downtown gelegen) gehen und dort meine SSN beantragen. Das
war vor nunmehr sechs Tagen der Fall. Alex hatte mir empfohlen, zur
Überbrückung von eventuell stundenlanger Wartezeit ein Buch mitzunehmen, aber
letztendlich war ich in weniger als einer Stunde rein und raus. Security Check
inklusive – wie am Flughafen mit Handtaschenkontrolle und Metalldetektor. Man stelle sich dies am
Eingang eines deutschen Bürgerbüros vor … Wobei es nach den neuesten
Ereignissen in manchen Jobagenturen nicht unangebracht wäre … Dass ich so
schnell dran gekommen bin, lag sicherlich daran, dass ich weder an einem Montag
noch an einem Freitag oder zum Monatsanfang da war, da vor allen zu diesen
Zeitpunkten von den Bedürftigen (und durch die Größe Houstons gibt es einige,
vor allem in Midtown) Sozialleistungen beantragt werden. Von der Beantragung an
in etwa zwei Wochen darf ich die SSN in der Post erwarten – vielleicht also
schon Ende dieser Woche. Dann fehlt mir nur noch ein amerikanischer
Führerschein um von den hiesigen Behörden als vollwertiges Mitglied der US-Gesellschaft
anerkannt zu werden.
Ein
texanischer wird dies jedoch nicht mehr werden, selbst wenn ich alle Prüfungen
gleich auf Anhieb bestehen würde, wäre er nicht mehr pünktlich da. Denn Autons
sind in dieser Woche in Minnesota, um die letzten Details unseres Umzugs zu
klären. Naja, was heißt Details – Mayo (die zukünftig Arbeit gebende Klinik)
hat für Matt den 1. November als Anfangsdatum gesetzt. Er selbst sieht das noch
nicht so ganz, Steph möchte es unbedingt, auch für die Große, die gerade im
Übergangsstadium „public school“ recht frei schwingt – und für uns muss noch
geklärt werden, wie und zu wann das Visum übertragen wird. Denn das muss
nahtlos passieren – offiziell dürfen wir keinen Tag arbeitslos sein, sonst
müssten wir sofort ausreisen! Grob zusammengefasst: Wir sind gänzlich davon
abhängig, wie schnell Mayo den fälligen Papierkram erledigen kann. Und das befördert
uns in einen unangenehmen Schwebezustand. Wäre der Umzug nicht, hätte ich
mehrere Angebote für „German tutoring“ hier in Houston, könnte selbiges auch
für Mathe tun oder mich als „Substitute teacher“ (Feuerwehrlehrkraft) bewerben.
So hoffen wir darauf, spätestens Ende der Woche bei Rückkehr der Autons mehr zu
wissen.
Und bis
dahin freue ich mich weiterhin auf Samstage – das ist offenbar so ersichtlich,
dass Steph beschlossen hat „You need a classroom!“ und bei der zukünftigen
Schule für die Große für mich mit vorsprechen will.
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